Landesbeirat für Tierschutz März 2015
Zur Sitzung am 26.3.2015 hatten wir drei Anträge eingebracht und um Stellungnahme des Ministeriums gebeten:
Schlachtung von schwangeren „Nutz"tieren
Auf Grundlage einer Studie von Riehn et al., in der 53 Schlachtbetriebe ausgewertet worden sind, geht die Bundestierärztekammer davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 180.000 tragende Rinder geschlachtet werden, wovon sich rund 90 Prozent im mittleren und letzten Drittel der Schwangerschaft befinden. In weiteren wissenschaftlichen Studien wurde festgestellt, dass die Föten zumindest im letzten Drittel der Trächtigkeit infolge des Sauerstoffmangels einen qualvollen Erstickungstod erleiden. Eine Stellungnahme des Friedrich-Löffler-Instituts vom 28.10.2013 nimmt gesondert Bezug auf die Tierarten Rind, Schwein, Ziege, Schaf und Pferd.
Die Bundestierärztekammer hat sich für ein grundsätzliches Verbot der Schlachtung tragender Kühe und Färsen ausgesprochen und auch für eine Anpassung der Folgeverordnungen zum Tierschutzgesetz, um den Schutz der Föten sicherzustellen.
Wir stellten deshalb den Antrag mit Quellenangaben, dass der Tierschutzbeirat die Landesregierung um Auskunft über den derzeitigen Stand der Umsetzung eines Schlachtverbots von schwangeren Rindern und anderen „Nutz"tieren auf Bundes- und EU-Ebene bittet.
Fehlbetäubungen in Schlachthöfen
Dieses Thema wurde schon mehrfach im Landestierschutzbeirat behandelt, ist jedoch leider noch immer aktuell. Schon 2010 ging aus einer Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg hervor, dass laut des Sachverständigen Prof. Dr. Klaus Troeger vom Kulmbacher Max-Rubner-Institut bundesweit mehr als 500.000 Schweine nicht richtig betäubt werden und das Verbrühen im Brühbad bei vollem Bewusstsein erleben.
Nach einer Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von 2012 an die Bundesregierung gelangt durchschnittlich eines von 100 Schweinen ohne vollständige Betäubung in die Brühanlage.
Auch bei der Rinderschlachtung gibt es Fehlbetäubungen; sie liegt zwischen vier und über neun Prozent. Laut Prof. Troeger betrifft dies deutschlandweit mehr als 200.000 Tiere pro Jahr. (Ergänzung: Der Veterinär und Vizepräsident des Landestierschutzverbandes Nordrhein-Westfalen, Dr. Ralf Unna, geht nach eigenen Untersuchungen sogar davon aus, dass ein knappes Drittel der Bolzenschüsse fehlerhaft sind; davon wären allein in NRW über 200.000 Rinder betroffen. Diese Zahl ist auf Basis von zuverlässigen Stichproben hochgerechnet, weil sich überprüfen lässt, ob das Rind ein Loch im Schädel hat oder nicht.)
In unserem Antrag baten wir um Auskunft, welche konkreten Maßnahmen die Landesregierung bisher ergriffen hat, um Fehlbetäubungen zu vermeiden. Außerdem baten wir darum, sich auf Bundesebene zur Vermeidung von Fehlbetäubungen einzusetzen, unter anderem durch eine lückenlose Kameraüberwachung des gesamten Schlachtvorgangs sowie ein Verbot von Akkordlöhnen.
Problematik der CO2-Betäubung von Schweinen
Auch diese steht immer wieder auf der Tagesordnung, ohne dass sich bislang daran etwas geändert hat. Be- reits 2009 hatte der Landesbeirat für Tierschutz die Landesregierung aufgefordert, die Bundesregierung zu bitten, sich gegenüber der EU-Kommission und dem Rat für ein Ende der Betäubung mit CO2 einzusetzen.
Gutachter der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kamen 2004 zu dem Ergebnis, dass die Betäubung mit CO2 kein tiergerechtes Verfahren darstellt, da sie erst nach 10-20 Sekunden wirkt. Außerdem führt das Gas bei seiner Einleitung zu Hyperventilation, Atemnot und Panik der Tiere mit Abwehr-, Vermeidungs- und Fluchtreaktionen sowie Lautgebung.
Eine mögliche Alternative wäre eine Betäubung mit Helium, die von der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach empfohlen wird. Laut ihrer Pressemitteilung vom 8.5.2013 wird von dem Edelgas bei gleicher Wirkung bei den Schweinen kein Erstickungsgefühl ausgelöst, denn sie zeigen keine aversiven Reaktionen. Doch Helium sei teuer und nur begrenzt verfügbar.
Deshalb müssen dringend Lösungen gefunden werden, um die Leiden der Schweine soweit wie möglich zu verringern. Wir stellten daher den Antrag, dass sich der Tierschutzbeirat bei der Landesregierung für die rasche Einführung schonender Betäubungsmethoden einsetzt.
Nach Information des Ministeriums laufen derzeit weltweite Forschungsarbeiten durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) – s. auch Link: http://www.agrarheute.com/efsa-tierschutz-beim-schlachten.
An der nächsten Sitzung können wir zu den drei Anträgen nähere Informationen erwarten.
Weitere Anträge des Tierschutzbeirats:
Situation der Amtsveterinäre im Land
Seitens des Antragstellers besteht der Eindruck – den wir teilen –, dass die für Tierschutz zuständigen Behörden stark unterbesetzt seien. Neben eigenen Erfahrungen wurde aus Landtagsanfragen zitiert, die diese Meinung bestätigen. Gefordert wird deshalb die Einstellung von engagierten Amtsveterinären für Aufgaben im Tierschutzbereich.
Das Ministerium informierte, dass 2013/2014 weitere Veterinäre eingestellt worden seien, darunter zwei Fachtierärzte für Versuchstierkunde.
Brandschutz in Ställen
Jeden Monat müssen laut beigefügten Pressemeldungen zahllose Tiere bei Stallbränden ihr Leben lassen.
Am 1.3.2015 ist eine neue Landesbauordnung in Kraft getreten. Positiv ist, dass der Brandschutz bei Stallbauten künftig mit angemessenen Einrichtungen zur Rettung der Tiere im Brandfall beachtet werden muss. Konkrete Maßnahmen sind darin allerdings nicht enthalten.
Das Ministerium teilte mit, dass sich entsprechende Vorschläge derzeit in Bearbeitung befinden würden.
Die wichtigsten Informationen des Ministeriums:
Tierschutzpreis 2015
Die Ausschreibung erfolgte am 29.1.2015.
Schülerwettbewerb 2016
Die Ausschreibung kommt im Herbst diesen Jahres. Sie wird aktuell von einem Gremium neu gestaltet, dem auch Mitglieder des Tierschutzbeirats angehören.
Förderung von Alternativmethoden zu Tierversuchen
Mit Pressemitteilung der Verbraucher- und Wissenschaftsministerien vom 22.2.2015 hatte die Landesregierung bekannt gegeben, dass sie den Etat für die Erforschung von Tierversuchs-Alternativen in Baden-Württemberg in Höhe von 400.000 Euro in diesem Jahr fortführt, ebenso den Forschungspreis über 25.000 Euro. Mit der finanziellen Förderung soll die Zahl und die Belastung der in Forschung und Lehre verwendeten Tiere so weit wie möglich verringert werden. Mit dem bundesweit ausgeschriebenen Forschungspreis sollen hervorragende wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet werden, die Tierversuche ersetzen oder zu einer wesentlichen Verringerung der Belastung der Versuchstiere beitragen.
Forschungsministerin Theresia Bauer fügte allerdings an, dass derzeit ein vollständiger Verzicht auf den Einsatz von Tieren in der Forschung nicht möglich sei und bestimmte Versuche, beispielsweise im Rahmen von Sicherheitsprüfungen, sogar gesetzlich vorgeschrieben seien.
Förderanträge oder Vorschläge preiswürdiger Forschungsarbeiten konnten jeweils bis zum 30.4.2015 beim Ministerium für Verbraucherschutz eingereicht werden.
Tierheimförderung
Auch für das Jahr 2015 stellt die Landesregierung bis zu 500.000 Euro Fördermittel zur Verfügung. Sie ermögliche es Tierschutzvereinen beispielsweise, dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden durchzuführen. Das Ministerium fördert projektbezogen ein Drittel der zuwendungsfähigen Ausgaben bis maximal 100.000 Euro, wobei sich die Landkreise oder Gemeinden mit mindestens einem Drittel ebenfalls beteiligen müssen. Über die Mittelvergabe wurde die Verwaltungsvorschrift per 1.3.2015 überarbeitet, wobei die Tierheimförderung flexibler gestaltet wurde.
Die Bekanntmachung erfolgte per Pressemitteilung vom 21.3.2015 mit Hinweis auf weitere Informationen inklusive Antragsformular. Bitte benützen Sie folgenden Link: http://tinyurl.com/pwbx283
Haltung von Tieren wildlebender Arten in Privathand
Dieses Thema wurde zum wiederholten Male ausführlich diskutiert und war Gegenstand der Pressemitteilung des Ministeriums vom 9.4.2015 über die Sitzung des Beirats. Kritisiert wurde, dass ungeachtet artenschutzrechtlicher Beschränkungen vor allem durch das Internet sogar gefährliche Wildtiere wie Raubkatzen, Krokodilarten oder Giftschlangen problemlos zu erwerben sind und nicht kontrolliert werden können.
Der Tierschutzbeirat bat die Landesregierung, sich für bundesweit einheitliche Bedingungen zur Haltung von exotischen und / oder gefährlichen Tieren in Privathand einzusetzen. Ein Sachkundenachweis des Tierhalters müsste dabei vor Erwerb des Tieres gegenüber den zuständigen Behörden nachgewiesen werden. Außerdem müssten konkrete Mindesthaltungsbedingungen sowie eine Bewertung des möglichen Zubehörs vorgeschrieben werden.
Weitere Themen waren unter anderem das Flugunfähigmachen von Zoovögeln, Informationen des Ministeriums über Schwerpunktkontrollen bei Tiertransporten, zum Ibrahim- und Opferfest; ferner ein Bericht zur letzten Agrarministerkonferenz und zur geplanten Fleischkennzeichnung.