Landtag beschließt am 6.5.2015 das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen
Dank der grün-roten Landesregierung haben wir nun auch in Baden-Württemberg das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände erreicht. Die Grünen hatten bereits 2005 einen entsprechenden parlamentarischen Antrag in Baden-Württemberg eingebracht, den sie für eine effektive Umsetzung des Staatsziels Tierschutz im Grundgesetz und in der Landesverfassung von Baden-Württemberg für notwendig erachtet hatten. Sie waren damit jedoch gescheitert, da CDU und FDP das Ansinnen – auch auf Bundesebene – bis heute strikt ablehnen.
Das SPD-geführte Bremen hatte der Einführung der Tierschutz-Verbandsklage bereits 2007 zugestimmt, Hamburg und Nordrhein-Westfalen folgten erst 2013, anschließend das Saarland, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 2014.
In Baden-Württemberg fand die erste Anhörung der beteiligten Verbände zum geplanten Verbandsklagerecht am 23.11.2012 statt. Gemeinsam mit unserem Bundesverband gaben wir dazu einen schriftlichen Kommentar ab, den wir an der Sitzung mündlich erläuterten. Unsere Stellungnahme zum Gesetzentwurf vom 18.11.2014 verfasste Dr. jur. Eisenhart von Loeper. Sie kann unter dem Link http://tinyurl.com/on2abzp nachgelesen werden.
Das Gesetz ermöglicht Tierschutzverbänden sowohl Mitwirkungs- und Informationsrechte als auch ein Klagerecht. Dabei geht es zunächst darum, über tierschutzrelevante Planungsprojekte informiert und in behördliche Entscheidungen eingebunden zu werden, um damit bereits im Vorfeld eventuelle Klagen zu vermeiden. Wenn anerkannte Tierschutzvereine mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, können sie zukünftig auch dagegen klagen. „Die Verwaltungsgerichte können dann abschließend für Rechtssicherheit für alle Beteiligten sorgen", betonte Landwirtschaftsminister Bonde in seiner Pressemitteilung vom 6.5.2015.
Es gibt allerdings einige Einschränkungen, die wir in unserer Stellungnahme kritisiert hatten. In der Landwirtschaft betrifft dies vor allem die Größe der Tierbestände: Bei der Erteilung von Genehmigungen für Tierhaltungsanlagen gelten Mitwirkungs-, Informations- und Klagerecht für Tierschutzverbände erst ab Bestandsgrößen, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, d.h. erst ab Tierplatzzahlen von 15.000 Legehennen, 30.000 Masthühnern, 15.000 Puten, 600 Rindern, 500 Kälbern, 1.500 Mastschweinen, 560 Sauen. Diese Beschränkung birgt die Gefahr, dass die Bestandsgrenze bei Bauanträgen um wenige Tierplätze unterschritten wird, um eine Einmischung der Tierschutzverbände zu verhindern. Abgesehen davon ist die Größe einer Tierhaltungsanlage in diesem Zusammenhang irrelevant, denn auch kleine Bestandsgrößen garantieren nicht automatisch die Einhaltung des Tierschutzrechts. Tierschutz muss für jedes einzelne Tier gelten.
Der zweite schwerwiegende Kritikpunkt betrifft Tierversuche. Hier müssen die Verbände erst informiert werden, nachdem die Genehmigung eines Forschungsprojektes durch die Behörden bereits erteilt worden ist. Somit wird ihnen lediglich eine nachträgliche Feststellungsklage eingeräumt. Diese hat keine aufschiebende Wirkung und kann nur durch ein entsprechendes Gerichtsurteil eventuell Auswirkungen auf künftige Versuchsanträge erwirken. Die Tierexperimentatoren hatten sich mit dieser Regelung erfolgreich vor allem bei Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) durchgesetzt, die ihre Interessen vertritt. In einer Sitzung des Wissenschaftsausschusses stellte Bauer sogar das Verbandsklagerecht infrage, um die Forschungsfreiheit zu schützen. Dennoch sind wir guten Mutes, dass wir durch das Verbandsklagerecht einiges Positive für den Tierschutz erreichen können.
Nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Landtag erfolgt die Ausarbeitung einer Durchführungsverordnung. In dieser sollen unter anderem die Anerkennungskriterien von klage- und mitwirkungsberechtigten Organisationen detaillierter definiert werden. Bis jetzt ist festgelegt, dass ein Verband gemeinnützig und landesweit seit mindestens fünf Jahren tätig sein muss und seine Leistungsfähigkeit beweisen kann. Selbstverständlich müssen seine Satzungsziele vorwiegend der Förderung des Tierschutzes dienen.
Laut Gesetz müssen die anerkannten Tierschutzorganisationen ein gemeinsames Büro einrichten, dessen Kosten sie zu tragen haben. Dort sollen alle anstehenden Verwaltungsakte entgegengenommen und den beteiligten Verbänden auf datenschutzrechtlich abgesichertem Weg übermittelt werden.
Der Gesetzestext der Landesregierung vom 10.3.2015 ist abrufbar unter: http://tinyurl.com/ptuhulp.