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Kurze Positivliste Wildtierhaltung

Offener Brief: Kurze Positivliste für die private Wildtierhaltung durchsetzen

Tierschutzverbände fordern schon lange eine - möglichst kurze - Positivliste für Wildtiere und Exoten.
Landwirtschaftsminister Özedmir will eine solche nun auf den Weg bringen. Bei seinem Vorhaben trifft der Minister auf viel Widerstand von Seiten der Hobbyhalter*innen, "Zoohändler*innen" und Co. Tierärztin Karin Ullrich von der Arbeitsgemeinschaft Mensch & Tier Sigmarszell hat in einem Offenen Brief an Minister Özdemir nochmals die Wichtigkeit einer Positivliste betont. Der Brief soll den Minister in seiner Entscheidung bestärken und wird daher von verschiedenen Vereinen und Personen mitgetragen. So auch von unserem Verein.

Offener Brief: Kurze Positivliste für die private Wildtierhaltung durchsetzen

09.02.2023

Sehr geehrter Herr Minister Özdemir,

Sie haben ein wichtiges Eisen im Feuer, wenn Sie nun die Wildtierhaltung einschränken wollen. Ich hoffe, Sie können sich gegenüber den Interessen derer durchsetzen, die mit dem Wildtierhandel Gewinn machen!
Es werden gewaltige Summen ausgegeben, um Wildtiere zu fangen und zu transportieren oder zu züchten und dann zu erwerben und sie im Garten oder Wohnzimmer zu halten. Dieses Geld könnte segensreich eingesetzt werden, um natürliche Lebensräume zu schützen!

Die einzige praktikable Möglichkeit, den Handel einzuschränken, ist eine Positivliste, denn auf der Erde gibt es Hunderttausende Tierarten, die ins Visier der Händler geraten können und an die bisher kein Mensch denkt. Je ungewöhnlicher und seltener, desto größer ist das Interesse derer, die ihr Geld spektakulär unterbringen wollen. Bezüglich der Erstellung einer Positivliste gibt es ja bereits einige EU-Länder, die das vormachen. Daher verstehe ich nicht die ablehnende Haltung der baden-württembergischen Tierschutzbeauftragten Dr. Julia Stubenbord. Sie hat Ihnen einen Entwurf für eine neue Heimtier-VO vorgelegt, die keineswegs als Richtschnur für artgerechte Haltung aller Wildtierarten ausreichend ist. Sie hat Recht in ihrem Urteil, dass auch gängige Heimtiere, wie Kaninchen, Meerschweinchen und Hamster häufig ein leidvolles Schicksal haben. Ohne gründliche Sachkunde geht Tierhaltung eben in keinem Fall! Das sollte von jedem verlangt werden, der mit Tieren umgeht. Einiges kann Deutschland von der Schweizer HeimtierVO übernehmen.

Je weniger Tierarten aufgeführt werden, desto besser ist es, denn die Züchtung von Königspythons auf verschiedene Farbschläge (siehe: M&S Reptilien in Weigheim bei Villingen-Schwenningen, Inhaber Stefan Broghammer) lässt die Alarmglocken läuten: Welche Auswirkungen hat die Zucht auf äußere Merkmale auf das Wohlbefinden der Tiere? Gibt es Kopplungen der Farbgene mit Sinnesorganen (wie bei den gehörlosen weißen Katzen, zum Beispiel)? Zu inakzeptabler Tierqual führt auch die Kreuzung verschiedener Tierarten, problematische Beispiele sind die Savannah-Katzen und Wolfshybriden. Solche und andere Zuchten über Artgrenzen hinweg müssen dringend verboten werden! (https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-katze-hybridzucht-rasse-savannah/)
Der Tierhandel läuft teilweise international, bis in die USA werden Zuchttiere aus Deutschland verschickt. Und sie kommen aus jedem Winkel der Erde hierher. Kann das vereinbar mit dem Tierschutzrecht sein?

Tiere sind immer im Nachteil und müssen oft unbemerkt Qualen erleiden bis zum Tod. Und das nur, damit Menschen ihr Ego befriedigen können, etwas Lebendes zum Spielen oder Angeben haben. Das Leid der zur Fütterung gezüchteten und verwendeten Tiere kommt hinzu.
Ausgerechnet der Experte für Tierschutz der FDP, Georg Heitlinger, lehnt Ihren Vorstoß ab, mit der Begründung, eine Positivliste sei „ein unverhältnismäßiger und ungerechtfertigter Eingriff in die Handlungsfreiheit und Entfaltungsfreiheit der Bürger“. Das ist keine Stellungnahme, die von einem Tierschutz-Experten erwartet werden darf!

Dass auch Zoodirektoren eine Positivliste ablehnen ist auch erstaunlich, denn die sollten wissen, wie schwierig es ist, einen artgerechten Lebensraum für Wildtiere verschiedenster Arten künstlich zu erzeugen. Angesichts dessen ist mir die Ablehnung der Positivliste durch den Präsidenten des Verbandes der Zoodirektoren, Jörg Junhold ein Rätsel.

Tiere als Verfügungsmasse. Vielleicht verdienen ja die Zoos daran, Jungtiere „auf den Markt zu werfen“? Immerhin müssen viele Jungtiere geboren und präsentiert werden, das lockt Besucher an.

Es ist kein „Exotenbashing“, wie Stefan Boghammer Ihre Gesetzespläne diskriminiert, sondern dringend notwendig, auch angesichts der Faunen-Verfälschung hier in Deutschland, wenn Exoten ins Freie ausgesetzt werden, weil sie dem Halter aus irgendeinem Grund (Größe, Finanzen, neue persönliche Bindung, Umzug....) nicht mehr genehm sind. Die Folgen für die heimische Fauna und Flora können gravierend sein! Auch Auffangstationen können hoffnungslos überlastet sein, weil viele Tiere abgegeben werden.
Für Tiere, die auf der Positivliste stehen werden, sollten auf jeden Fall strenge Regeln zur Fachausbildung der Händler und Haltenden vorgeschrieben werden, auch Veterinär-Kontrollen der Haltungen (Registrierung bei Erwerb wäre nötig!) sollten ermöglicht werden - von Amtstierärzten, die selbst zu Fachleuten ausgebildet worden sein müssen.

Es ist zu hoffen, dass durch Verschärfung der Gesetze die lasche Auslegung der Bundesartenschutz-VO und des Tierschutzgesetzes (wie es in Baden-Württemberg zu beklagen ist) unmöglich wird. Es kann nicht länger so bleiben, dass man legal jede beliebige Tierart über das Internet kaufen kann – selbst Löwenkinder und Giftschlangen! Der Internethandel muss dringend bundesweit verboten und verhindert, zumindest streng reglementiert und kontrolliert werden! Die völlig unberechenbaren Gefahren von Infektionskrankheiten, die von Wildtieren ausgehen können, sind auch dringende Argumente für eine strenge Regulierung! Alleine das Beispiel der durch Streifenhörnchen übertragenen Borna-Viren, durch die 2013 mehrere Personen erkrankt und verstorben sind, sollte überzeugend sein.

Mein Schreiben wurde angeregt durch einen erfreulich ausführlichen Artikel der Schwäbischen Zeitung von Herrn Dirk Grupe, der unter dem Titel „Wildtiere im Wohnzimmer“ am 02.02.2023 auf Seite 3 erschien. https://epaper.schwaebische.de/titles/lindauerzeitung/10752/publications/5729/pages/2

Hilfreiche Argumente bietet auch der Beitrag vom 10.05.2020 im Deutschlandfunk:
https://www.deutschlandfunk.de/virenimport-durch-wildtierhandel-out-of-the-wild-100.html

Bitte bleiben Sie standhaft und setzen Sie sich für die Umsetzung einer Positivliste – und gegen Kommerz und Tiermissbrauch – durch!
Es geht um Tierschutz, nicht um die Interessen derer, die mit dem Wildtierhandel Gewinn machen!

Mit freundlichen Grüßen

Karin Ulich

Tierärztin
Arbeitsgemeinschaft Tier & Mensch
88138 Sigmarszell

Diesen Brief tragen folgende Personen und Vereine mit:

Dr. rer. nat. Norbert Alzmann, Bioethiker
Eckard Wendt - Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung AGfaN e.V. 
Sandra Barfels - Bundesverband Tierschutz e.V.
Elisabeth Petras - Politischer Arbeitskreis für Tierschutz in Europa PAKT e.V.
Freia Quaß - Verein für Tierrechte e.V. Ahrensburg
Janine Bahr- van Gemmert - Robbenzentrum Föhr
Natascha Wenrich - XOrga - vereint für Tierrechte
Stephanie Kowalski - Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.
Tierärztin Astrid Reinke - Tierschutzstiftung Lebenshof - Achtung für Tiere
Helga Laue - Bürgerinitiative Lahstedt-Ilsede für Tier, Mensch und Umwelt
Sabine Luppert - Schüler für Tiere e.V.
Stefan Stein - Stallbrände

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