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Offener Brief an den Universitätsrat der Universität Hohenheim

2020-12-21 12:13

Gemeinsam mit Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner haben wir uns heute mit folgendem offenen Brief an den Universitätsrat der Universität Hohenheim gewandt.

 

Sehr geehrte Frau Prof. Beck-Sickinger,
sehr geehrter Herr Prof. Burghof,

mit großem Unverständnis nehmen wir Ihre kürzlich geäußerte Kritik an der Novelle des baden-württembergischen Hochschulgesetzes, insbesondere zur Neufassung des Paragrafen 30a, zur Kenntnis. Sie üben Kritik daran, dass in der Lehre auf die Verwendung von hierfür getöteten Tieren verzichtet werden soll, sofern wissenschaftlich gleichwertige Methoden (…) zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang warnen Sie vor dramatischen negativen Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung und befürchten eine nicht hinnehmbare Beschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre.


Tatsache ist, dass das baden-württembergische Vierte Hochschulrechtsänderungsgesetz an mehreren Stellen weit hinter den Tierschutz-Anforderungen anderer Bundesländer zurückliegt. Ihre Warnung vor einem vollständigen Stopp von Tierversuchen in der Lehre, geht aus unserer Sicht völlig an der Realität vorbei. Im Gegenteil bezieht sich der Paragraf 30a lediglich auf eigens getötete Tiere und nicht auf Tierversuche (an lebenden Tieren) und darüber hinaus ausdrücklich nur auf Tierschutz in der Lehre! Die Einschränkung bezüglich Tierverbrauchs hat also mit der Forschung nichts zu tun und bedeutet daher auch keinen Eingriff in die Forschungsfreiheit.


Ihre Argumentation, diese Vorgaben beabsichtigten „eine nahezu komplette Aufgabe der Verwendung von Tieren in Wissenschaft und Lehre“, unterliegt gleich zwei Denkfehlern: Zum einen muss, wie oben dargelegt, zwischen Forschung und Lehre unterschieden werden. Zum anderen stellt der Paragraf kein Verbot des Verbrauchs von Tieren dar, sondern lediglich eine Einschränkung.

Die gezielte Tötung von Tieren unterliegt, ebenso wie der Tierversuch, dem Unerlässlichkeitsgebot. „Unerlässlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang „unbedingt erforderlich bzw. notwendig“. Konkretisiert wird dieser Begriff durch die 3R-Prinzipien Vermeidung, Verminderung und Verbesserung. Dabei ist der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen, das bedeutet, es muss u.a. die schonendste Tötungsmethode und die geringstmögliche Anzahl von Tieren angestrebt werden. Die Tötung darf also nicht stattfinden, wenn eine valide tierfreie Alternative verfügbar ist.


Dies entspricht der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland und dem von Ihnen kritisierten Paragrafen 30a. Wenn Sie sich gegen diesen Paragrafen wenden, müssen wir schlussfolgern, dass Ihnen die entsprechende Gesetzgebung nicht geläufig ist. Dafür spricht auch, dass Sie die Beachtung der 3R-Prinzipien einfordern. Die Wahl der schonendsten Tötungsmethode (refinement) und das Anstreben der geringstmöglichen Anzahl von Tieren (reduction und replacement) durch kluge Planung, tierfreie Alternativmethoden oder durch Spendertierprogramme entsprechen ebendiesen 3RPrinzipien.


Die Anwendung des 3R-Prinzips ist also nichts, was man fordern muss, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit, die im neuen Hochschulgesetz entsprechend zum Ausdruck kommt, auch wenn sich der Paragraf 30a, wie oben erwähnt, leider nicht auch auf Tierversuche, sondern nur auf eigens für den Zweck der Lehre getötete Tiere bezieht.


Darüber hinaus schlagen Sie eine Güterabwägung zwischen Tierwohl und Ausbildung vor. Auch die (unabhängige!) Güterabwägung ist gesetzlich längst festgelegt; kurz gesagt muss die Tiertötung einen vernünftigen Grund haben. Sie muss verhältnismäßig sein und unterliegt dem Güterabwägungsprinzip. Das zu erwartende Tierleid muss gegen den zu
erwartenden Nutzen (hier: das Erreichen der Lernziele) abgewogen werden. Sie fordern also Dinge, die längst gesetzlich vorgeschrieben sind.


Sehr geehrte Mitglieder des Universitätsrates, die von Ihnen beschworenen Horrorszenarien sind aus unserer Sicht haltlos. Es ist enttäuschend, dass Sie sich gegen Verbesserungen beim Schutz von Tieren in der Lehre stellen, und die Freiheit von Wissenschaft und Forschung gegen den Tierschutz ausspielen.


Stattdessen sollten Sie Ihre Verantwortung für die Ihnen anvertrauten Tiere ernst nehmen: Tierversuche und Tiertötungen, für die wissenschaftlich gleichwertige Lehrmethoden und -materialien zur Verfügung stehen, sind nicht unerlässlich und dürfen nicht durchgeführt werden! Hier sind die Lehrenden gefragt. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Lernziele erreicht werden. Ihnen obliegt die Recherche von sogenannten Alternativmethoden, also den wissenschaftlich gleichwertigen Methoden, von denen im Hochschulgesetz die Rede ist. Dies können Modelle sein, Filme oder Computersimulationen.


Recherchieren kann man diese Alternativmethoden unter anderem auf der Website www.satis-tierrechte.de oder unter www.interniche.org. Sollten nach sorgfältiger Güterabwägung (!) Tierversuche als unerlässlich angesehen werden, kommt darüber hinaus ein Spendertierprogramm in Betracht. Dieses beinhaltet, dass den Hochschulen in
Tierarztpraxen aus medizinischen Gründen eingeschläferte Tiere zur Verfügung gestellt werden. Auf diesem Weg könnte die gezielte Tötung gesunder Tiere zumindest teilweise vermieden werden. Dies entspräche ebenfalls dem 3R-Prinzip, das Sie fordern.


Statt gegen Verbesserungen beim Schutz von Tieren zu argumentieren, rufen wir Sie dazu auf, sich für eine moderne und zukunftsorientierte Lehre einzusetzen, die den Verbrauch an Tieren minimiert und stattdessen auf moderne Lehrmethoden setzt.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Christina Ledermann
Vorsitzende
Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner


Dr. med. vet. Dr. rer. nat. Stefanie Schindler
Fachreferentin für tierversuchsfreie Methoden
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der
Tierversuchsgegner

Julia Thielert
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e.V.

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© Tierrechte Baden-Württemberg

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