Über das ambivalente Mensch-Tier-Verhältnis
In der Sendereihe „scobel" in 3sat diskutierte Gert Scobel am 12. September das Thema 'Dürfen wir Tiere töten' mit seinen Gästen Madelaine Martin, Landestierschutzbeauftragte von Hessen, Manfred Niekisch, Biologe und Zoodirektor in Frankfurt sowie Friederike Schmitz, Philosophin aus Tübingen.
Haustiere werden in Deutschland in der Regel geliebt. Ihnen geht es weitgehend gut. Da sieht es bei den Nutztieren, deren Fleisch, Milch und Eier Mensch und Haustier essen, anders aus. 28 Millionen Schweine und 1,9 Millionen Rinder werden in Deutschland gegessen. Darf der Mensch Tiere töten? Was ist der Unterschied zwischen dem Hund und dem Mastschwein? Wird mit zweierlei Maß gemessen? In der Diskussion wird versucht ein neues Verhältnis zum Tier zu definieren. Die äußerst interessante Sendung kann unter folgendem Link angesehen und nur empfohlen werden: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=38379
Starker Auftritt der Landestierschutzbeauftragten von Hessen
3 Millionen Versuchstiere wurden allein in Deutschland 2011 für wissenschaftliche Zwecke verwertet. Brauchen wir Versuchstiere? Die Landestierschutzbeauftragte von Hessen Madeleine Martin plädiert für einen Systemwechsel hin zu einer tierversuchsfreien Forschung. Denn es gibt mittlerweile auch Entwicklungen in den USA, die so weit in ihrer Einschätzung zu tierversuchsbasierter Forschung gehen, das Tierversuche eine moderne bessere Wissenschaft verhindern. Die Politik bleibt allerdings bei Lippenbekenntnissen tierversuchsfreie Forschung zu fördern. Forschung zu alternativen Methoden wird nach Erhebungen des Bundesverbandes für Tierrechte jährlich mit 4 Millionen Euro gefördert, während ein vierstelliger Millionenbetrag in Forschung mit Tierversuchen fließt. So lange dies nicht geändert wird, so Madeleine Martin, können wir noch lange über Alternativen zu Tierversuchen nur reden. Die Chance bei der Novellierung des Tierschutzgesetzes in einem ersten Schritt eine oberste Leidensbegrenzung für Versuchstiere unabhängig von einem möglichen Wissensgewinn einzuführen, wurde vertan. Ein entsprechender Passus im Tierschutzgesetz wurde abgelehnt. Ebenso fehlt eine retrospektive Beurteilung von Tierversuchen, gegen die sich insbesondere Grundlagenforscher wehren. Würden die Ergebnisse von tierversuchsbasierter Forschung systematisch ausgewertet, dann würde man sicher einen anderen Blick auf die Tierversuche erhalten. Eine weitere große Ungerechtigkeit sieht Frau Martin darin, das Alternativmethoden einen sehr hohen Standard erfüllen müssen bis sie zugelassen werden. Dieser Standard ist aber an die Methodik Tierversuche nie herangetragen worden.
Die Argumente die genannt werden, wenn die Forderung nach einem Überdenken der Tierversuchsmethodik gefordert wird, sind nach Martin genau die selben, wie bei der historischen Forderung nach Abschaffung der Sklaverei. Auch damals wurde mit einem Zusammenbruch der Wirtschaft argumentiert, weswegen Sklaverei notwendig sei. Eindrücklich wird dies im Film Amistad von Steven Spielberg gezeigt. Die selben Argumente findet man heute in politischen Debatten, wenn es um Tiere, Tierschutz und Tierrechte geht.
Auch bezüglich der Massentierhaltung und zum Fleischessen hat die Landestierschutzbeauftragte eine eindeutige Position. Wenn es nach ihr ginge, müsste jeder Mensch ab dem 14. Lebensjahr wenigstens einmal in seinem Leben einen Schlachthof besuchen. Die Distanz zum Tod eines Tieres für ein Stück Fleisch auf unserem Teller muss aufgehoben werden. Und schließlich sind nachgewiesenermaßen Schweine genauso intelligent wie Hunde.
Die Philosophin Frederike Schmitz plädiert nicht nur für eine persönliche Entscheidung beim Kaufverhalten an der Supermarkttheke zugunsten der Tiere - am besten durch eine vegane Lebensweise -sondern auch für einen aktiven politischen Protest gegen die Agrarindustrie, die die brutalen Tierausbeutungssysteme in einem solchen Ausmaß aufgebaut hat und dabei weiter noch wächst. Trotzdem -so Madeleine Martin - ist auch die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Würden alle externen Kosten bei der Fleischproduktion dem Verkaufspreis zugerechnet, so wären viele andere Produkte billig gegenüber dem wirklichen Fleischpreis. Darüberhinaus muss auch der Handel gefordert sein, sein Sortiment zu überprüfen, ob bestimmte Produkte noch gesellschaftskonform sind.
Zum Schluss der Sendung zitiert Gert Scobel den Tierrechtler Singer, der vom ewigen Treblinka der Tiere spricht. Wem dies zu überzogen erscheint, dem sei so Scobel das Zitat von Adorno nahegelegt, wonach Konzentrationslager da beginnen, wo jemand ein Schlachthaus betrachtet und denkt es sind doch nur Tiere. Adorno meint damit, das es nur einen kleinen Schrittes von der Verachtung und Quälerei der Tiere zum massenhaften Töten von Menschen bedarf.