Unser Verein MENSCHEN FÜR TIERRECHTE – Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.V. hat aufgrund eines konkreten Falls beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage gegen das Veterinäramt Schwäbisch-Hall eingereicht. Finanziell getragen von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt klagen wir gegen die nicht tierschutzkonformen Zustände in der Putenhaltung. Das angestrebte richtungsweisende Verfahren wird die Haltungsform der Putenmast in Deutschland grundsätzlich auf den Prüfstand stellen. Die bisher größte Verbandsklage soll die Haltung von Puten in Deutschland signifikant verändern und hat das Ziel, das bisher gängige System abzuschaffen. Aktuell befinden wir uns im Berufungsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.
„Hohe Besatzdichten, unzureichende tiermedizinische Versorgung und kaum eine Möglichkeit, ureigenem Verhalten nachzugehen“, so beschreibt Stephanie Kowalski, Tierärztin und Mitarbeiterin unseres Vereins die Zustände in deutschen Putenmastanlagen. Auch im konkreten Fall im Kreis Schwäbisch Hall wurden derartige Zustände dokumentiert. „ Die Gesundheit der Tiere leidet hier augenscheinlich unter den desolaten Haltungsbedingungen. Auf Grund der stark verschmutzten Einstreu sind die Puten gezwungen, in und auf ihren eigenen Ausscheidungen zu leben. Dies ist nicht nur ein Herd für verschiedene Erkrankungen, wie beispielsweise Ballenentzündungen, sondern verhindert auch artspezifisches Verhalten, wie Scharren und Picken.“ Obwohl die gesetzlichen Tierschutzstandards in Deutschland ohnehin als entschieden zu gering anzusehen sind, werden häufig noch nicht einmal die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt.
Die gängige Haltungsform verursacht großes Tierleid Der absolute Großteil der jährlich etwa 40 Millionen getöteten Puten in Deutschland ist qualvoll überzüchtet und fristet zeitlebens ein Dasein in Dreck und Enge. Auf hohes Gewicht und viel Brustfleisch gezüchtet, erleiden viele Tiere Entzündungen, Deformationen oder sogar Knochenbrüche, weil das Skelett der schnellen Gewichtszunahme nicht standhält. Die beengte und reizarme Haltung führt vermehrt dazu, dass die Tiere sich gegenseitig verletzen, daher wird ihnen beinahe immer die Schnabelspitze kupiert. In der Theorie soll das prophylaktische Verfahren Verhaltensstörungen unterbinden aber praktisch werden damit weder Federpicken noch Kannibalismus verhindert. Die Puten haben in der intensiven Mast keine Möglichkeit, ihrem natürlichen Sozialverhalten oder anderen Grundbedürfnissen nachzukommen.
„Mit dem Instrument der Verbandsklage haben wir erstmals die einmalige Möglichkeit, eine grundlegende Veränderung in der Putenmast in Deutschland herbeizuführen“, kommentiert Kowalski. „Dieses grausame System gilt es mit der Klage abzuschaffen“ fügt sie weiter hinzu. “Diese wichtige Klage wird sicherlich weitreichende Folgen haben. Wir finanzieren sie gerne”, schließt Mahi Klosterhalfen, Geschäftsführer der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt.
Aufnahmen aus einem Putenmastbetrieb im Landkreis Schwäbisch Hall zeigen massiv tierschutzwidrige Zustände der Putenhaltung auf.
Juli 2017
MfT BW e.V. fordert die Behörde auf, gegen die schwerwiegenden Verstöße gegen das geltende Tierschutzrecht einzuschreiten und die Putenhaltung zu untersagen.
Das zuständige Veterinäramt erkennt keinen Handlungsbedarf, da es sich um eine „gute Putenhaltung“ handele.
Oktober 2017
MfT BW e.V. erhebt Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegen den Landkreis Schwäbisch Hall, weil das zuständige Veterinäramt nicht eingeschritten ist.
Nach Klageerhebung lehnt das Landratsamt Schwäbisch Hall den Antrag des MfT BW e.V. auf behördliches Einschreiten mit Bescheid ab.
Oktober 2018
Verwaltungsgericht Stuttgart weist die Klage als unzulässig ab. Demnach sei die Untätigkeitsklage verfrüht erhoben worden, denn der Antrag des MfT BW e.V. sei unvollständig gewesen. So hätte der MfT BW e.V. laut VG Stuttgart der zuständigen Behörde alle ihm vorliegenden Informationen preisgeben müssen. Überdies hätte der MfT BW e.V. zunächst Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid erheben müssen. Die Berufung wurde wegen vermeintlich fehlender grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen.
Die Rechtsauffassung des VG Stuttgart ist für verbandklageberechtigte Tierschutzorganisationen problematisch, da diese – anders als die Behörden, die kraft ihrer Hoheit einen Wissensvorsprung haben – auf Informationen von anderen angewiesen sind, die ihre Identität z.B. aus Furcht vor Repressalien nicht preisgeben können (z.B. Whistleblower, Nachbarn).
März 2019
Der MfT BW e.V. stellt beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einen Antrag auf Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
November 2019
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg lässt die Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu. Er begründet seine Entscheidung damit, dass für den Antrag einer Tierschutzorganisation keine besonderen Angaben oder Unterlagen erforderlich seien. Der ursprüngliche Antrag des MfT BW e.V. sei ausreichend gewesen.
Das ist ein wichtiger Etappensieg, da nun feststeht, dass ein anerkannter Verband bei einem Antrag an das zuständige Veterinäramt nicht sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Informationen preisgeben muss (wie z.B. die Identität von Informanten).
November 2021
Prozess vorm VGH in Mannheim. Eine Entscheidung gab es noch nicht.
Rechtlicher Hintergrund
Durch Qualzucht ist das Leben für diese Puten immer eine Qual.
Wenn die streitgegenständliche Putenhaltung Standard in Deutschland ist, dann ist die gesamte Haltung von Puten Tierquälerei.
Das Tierschutzrecht verbietet Leiden, Schmerzen und Schäden ohne vernünftigen Grund.
Die Tierschutznutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) enthält keine Regelungen zur Putenhaltung. Die einzig zur Putenhaltung existierenden Vorgaben stellen eine freiwillige Vereinbarung – und damit keine gesetzliche Regelung – dar, die vom Lobbyverband VDP (Verband Deutscher Putenerzeuger) initiiert und u.a. von Putenzüchtern und Bauernverbänden erstellt wurde.
Wird ein Urteil zu unseren Gunsten gefällt, müsste sich jede deutsche Behörde daran orientieren. Denn es gehört zu den Amtspflichten deutscher Amtsträger, die höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten. Sonst drohen ihnen Disziplinarverfahren oder Schlimmeres, etwa ein Strafverfahren wegen Tierquälerei durch Unterlassen des Einschreitens.
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